… Sie haben geerbt und erhalten Post von einem Testamentsvollstrecker!
Ihr Vater ist verstorben und Sie wissen: Er hat ein beachtliches Vermögen hinterlassen. Ein Unternehmen gegründet, einige Immobilien erworben und Kunst gesammelt. Laut Erbfolge, die Sie recherchiert haben, werden Sie ebenso wie Ihr Bruder und Ihre Schwester erben. Was Sie nicht wissen: Ihr Vater hat einen Anwalt aus seinem Golfclub, dem er uneingeschränkt vertraut, als Testamentsvollstrecker bestimmt. Einen Mann, den Sie nicht einmal kennen, der aber jetzt über den Nachlass Ihres Vaters entscheiden wird.
Der Herr über das Testament Ihres Vaters, nennen wir ihn Gerhard Strucks, meldet sich bei Ihnen. Per Mail informiert er sie über die Tatsache, dass er als Testamentsvollstrecker das Testament vollstrecken wird. Ihnen ist ein wenig mulmig bei der Angelegenheit. Sie fragen sich: Wird er auch wirklich so entscheiden, wie mein Vater das wollte? Wird er unsere Interessen als Erben berücksichtigen?
Keine Angst: Das muss er sogar!
Was ist ein Testamentsvollstrecker?
Ein Testamentsvollstrecker ist eine Person, die vom Erblasser (also dem Verstorbenen) in einem Testament oder Erbvertrag dazu bestimmt wird, dessen testamentarische Anordnungen auszuführen. Es handelt sich also um eine vom Erblasser selbst ausgewählte Person oder Institution. Diese ist mit der verantwortungsvollen Aufgabe betraut wird, den Nachlass abzuwickeln und den letzten Willen umzusetzen. Die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers ist eine bewusste Entscheidung des Erblassers. Er möchte sicherstellen, dass seine Wünsche auch nach seinem Tod respektiert und durchgeführt werden. In unserem Beispiel hat der Vater Gerhard Strucks mit viel Bedacht ausgewählt. Er wusste um dessen Kompetenz in steuerlichen und wirtschaftlichen Fragen. Und war sich sicher, dass der Freund auch das familiäre Konfliktpotenzial zwischen Ihnen und Ihren Geschwistern managen würde.
Sein Job als Testamentsvollstrecker ist komplex und mit einer Reihe wichtiger Aufgaben verbunden, die in der Regel im Testament oder Erbvertrag genauer definiert sind. Sein oberstes Ziel ist es dabei immer, die Interessen der Erben zu schützen und den Nachlass gemäß den Vorgaben des Verstorbenen zu regeln. Eine neutrale Instanz also, die ohne eigene Interessen das Erbe so aufteilen würde, wie gewünscht.
Die wichtigsten Aufgaben eines Testamentsvollstreckers:
- Nachlassverwaltung: Das ist eine der Kernaufgaben. Der Testamentsvollstrecker nimmt den gesamten Nachlass in Besitz und verwaltet ihn. Das beinhaltet die Sicherung und Bewertung aller Vermögenswerte (wie Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere, Unternehmensanteile etc.), die Begleichung von Schulden und die Kündigung oder Fortführung von laufenden Verträgen und Verbindlichkeiten des Verstorbenen.
- Erbschaftsverteilung: Eine zentrale Aufgabe ist die Verteilung des Erbes an die im Testament genannten Erben und Vermächtnisnehmer. Der Testamentsvollstrecker identifiziert die berechtigten Personen und sorgt dafür, dass jeder den ihm zugedachten Anteil erhält, genau wie es der Erblasser verfügt hat. Ein großer Vorteil für Sie und Ihre Geschwister: Konfliktpotenziale, die persönlich motiviert sind, werden hier schon im Vorfeld ausgeschaltet.
- Rechtsvertretung: Der Testamentsvollstrecker vertritt den Nachlass und somit auch die Erben in allen rechtlichen Belangen, die mit der Abwicklung des Erbes zusammenhängen. Das kann beispielsweise die Abwehr unberechtigter Ansprüche oder die Durchsetzung von Forderungen des Nachlasses sein, notfalls auch vor Gericht. Auch das ist ein großer Vorteil für Sie als Erben: Sie müssen sich um formale und rechtliche Fragen nicht kümmern, das nimmt Ihnen der Testamentsverwalter ab!
- Steuerliche Angelegenheiten: Ein wichtiger und oft komplexer Bereich ist die Erfüllung der steuerlichen Pflichten. Der Testamentsvollstrecker kümmert sich um die Erstellung und Einreichung der Erbschaftssteuererklärung und sorgt für die Begleichung eventuell anfallender Erbschaftssteuern. Auch die abschließenden Steuererklärungen für den Verstorbenen fallen in seinen Aufgabenbereich.
- Informationspflicht: Transparenz gegenüber den Erben ist essenziell. Der Testamentsvollstrecker ist verpflichtet, die Erben regelmäßig und umfassend über den Stand der Nachlassabwicklung, getroffene Maßnahmen und die finanzielle Situation des Nachlasses zu informieren.
- Streitbeilegung: Sollte es dann doch zu Streitereien mit Ihren Geschwistern kommen, vermittelt der Testamentsvollstrecker als neutrale Instanz und versucht, eine gütliche Einigung herbeizuführen, um langwierige und kostspielige Erbstreitigkeiten zu vermeiden.
Wichtig: Die genauen Aufgaben und Befugnisse eines Testamentsvollstreckers können je nach nationalem Recht und den spezifischen Anordnungen im Testament variieren.
Mein food for thought:
Ein Testamentsvollstrecker ist weit mehr als nur ein „Verwalter“. Er ist ein wichtiger Vertrauter und Umsetzer des letzten Willens, der besonders bei komplexen Vermögensverhältnissen, minderjährigen Erben, potenziellen Erbstreitigkeiten oder wenn die Erben im Ausland leben oder schlicht entlastet werden sollen, eine unschätzbare Hilfe darstellt. Die sorgfältige Auswahl und Benennung eines geeigneten Testamentsvollstreckers im Testament kann daher ein entscheidender Schritt sein, um den Frieden unter den Erben zu wahren und sicherzustellen, dass das Erbe so verteilt wird, wie es vom Erblasser gewünscht war. Die Auswahl des Testamentsvollstreckers kann der Erblasser testamentarisch auch dem Nachlassgericht überlassen.
Ihr Vater hat all das gewusst und für Sie und Ihre Geschwister einen guten Weg gefunden – zum einen, um seinen Nachlass gerecht und sicher aufzuteilen und zum anderen, um Ihnen den Umgang mit dem Erbe deutlich zu erleichtern.
Ihre Ira Kröswang