Ein altes handschriftliches Dokument wird in der Hand gehalten

Die Testament-Illusion

Müssen wir alle ein Testament haben?

Erben kann schwierig sein. Vererben auch. Denn: Sind wir mal ehrlich – wer denkt schon gern zu Lebzeiten über das eigene Ende nach? Richtig: die wenigsten Menschen tun es. Und ehrlich gesagt: Sie müssen es auch nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn es um das eigene Testament geht.

Deutschlands Erbregeln: Überraschend logisch oder böses Erwachen?

Verfasst man kein Testament, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Und die ist in Deutschland ziemlich smart geregelt. Das Grundprinzip ist simpel: Wer erbt, hängt vom Verwandtschaftsgrad und vom so genannten Ehepartnerstatus ab. Heißt: Je näher verwandt, desto vorrangiger erbt man. Neben Ihrem Ehepartner, der gesetzlich immer erbberechtigt ist, kommen an erster Stelle die engsten Angehörigen, eigene Kinder etwa. Sind keine da, erben die Eltern oder wenn sie ebenfalls verstorben sind deren Nachkommen, die Geschwister also. Stiefkinder (oder wie ich sie gerne nenne: Bonuskinder) sind übrigens in dieser Erbfolge – es sei denn, sie wurden adoptiert – nicht vorgesehen; auch Schwiegereltern fallen aus.  Wer’s nachlesen will, findet im BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) die entsprechenden Regelungen: §§ 1922 ff. BGB.

Hat man ein Testament verfasst (und alle Formalien beachtet), dann erfolgt die Testamentseröffnung im Idealfall innerhalb weniger Wochen. Aber Vorsicht: Es gibt keine gesetzlichen und damit verbindlichen Fristen für eine Testamentseröffnung. Heißt: Das kann auch schon einmal dauern, bis man weiß, ob und was man erbt. Und: Hat man besondere Wünsche für seine eigene Bestattung hier vermerkt, kann dieser zeitliche Faktor eine große Rolle spielen. Denn unter Umständen ist man schneller (und anders) unter der Erde als gewünscht. Papst Franziskus übrigens hatte Glück: Denn sein Testament, in dem er akribisch festgehalten hatte, wie und wo er bestattet werden wollte, war noch an seinem Todestag geöffnet worden. Und so wurde der Papst der Armen und Bedürftigen tatsächlich im Beisein genau dieser Menschen, die ihm so wichtig waren, beerdigt.

Das falsche Argument?

Oft ist die Erbschaftssteuer DAS Argument für das Verfassen eines Testaments. Was die wenigsten Menschen wissen: Es gibt Freibeträge! Und die können alle zehn Jahre neu genutzt werden. Die Freibeträge richten sich nach der Erbordnung und werden gestaffelt besteuert. Für Ehepartner gilt bei Steuerklasse 1 z.B. eine steuerfreie Grenze bis 500.000 EUR, bei Kindern bis 400.000 EUR. Nach Abzug der Freibeträge wird nur noch der verbleibende Rest mit unterschiedlichen Steuersätzen belastet. Übrigens: Die neue Regierung plant eine Erhöhung der Freibeträge in Sachen Erbschaft. So soll der Freibetrag für Ehepartner künftig statt bei 500.000 EUR bei 835.000 EURO liegen.

Auf Probe sterben und mit gutem Gewissen gehen

Fakt ist: Wir alle werden gehen müssen. Und: Wir alle haben Angst davor. Setzt man sich allerdings konkret mit dem eigenen Tod auseinander, nimmt auch die Angst davor ab. Ich nenne es das „Probesterben“. Im Endeffekt bedeutet das für mich ganz konkret: Was passiert mit meinem Vermögen, wenn ich heute sterbe? Wer erbt gesetzlich – und was genau möchte ich unbedingt vermeiden, dass in diesem Fall geschieht? Die sachliche Auseinandersetzung mit dem, was bleibt, wenn wir nicht mehr sind, sorgt für deutlich mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Sterben.

Nehmen Sie sich die Zeit. Denken Sie darüber nach, was Ihnen wichtig ist. Und fragen Sie sich, ob die gesetzliche Erbfolge nicht mehr als ausreichend ist. Entscheiden Sie erst dann, ob es das Stück Papier tatsächlich braucht. Für Sie. Für Ihre Lieben. Für Ihren inneren Frieden.

Herzliche Grüße,
Ihre Ira Kröswang

Kurze Checkliste für das eigene Testament:

  • Überblick verschaffen: Was habe ich (Vermögen, Schmuck, Kunst, Bankguthaben, Verbindlichkeiten etc.)
  • Persönliche Angaben: vollständiger Name, Geburtsdatum, -ort, Adresse, Ort, Datum         Erben benennen: Erben mit vollständigem Namen, ggf. Erbquote festlegen, Ersatzerben benennen
  • Vermächtnisse festlegen: Erben, die bestimmte Vermögens- Gegenstände oder Liebhaberstücke erhalten sollten, benennen
  • Enterbung/ Pflichtteil bestimmen: Benennen der Erben, die ausgeschlossen werden sollen oder lediglich den Pflichtteil erhalten
  • Formalien beachten: ein Testament muss mit einer klaren Überschrift eigenhändig, handschriftlich und unterschrieben sein

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