… und weiß nichts davon.
Eine Situation, die überraschend wirkt, aber häufiger vorkommt als man denkt: Gesetzlicher Erbe – weiß aber nichts davon.
Ich habe schon einige kuriose Fälle erlebt. Da war zum Beispiel der 63-jährige, Karl L., den mein Team und ich nach längerer Recherche – aufgrund der gesetzlichen Erbfolge – als Erben seines Onkels auswendig gemacht hatten. Karl hatte den Bruder seiner Mutter schon seit Jahren aus den Augen verloren. Und ihn eigentlich längst vergessen. Als wir ihn anriefen, um ihn von seinem Erbe (ein kleines Vermögen) zu berichten, fiel er aus allen Wolken. Für die Formalitäten ist er zu uns in die Kanzlei gekommen. Selten waren wir so gerührt über seine Reaktion.
Stichtag Tod: Das automatische Prinzip der gesetzlichen Erbfolge
Was viele von uns vergessen: Wer stirbt, hinterlässt in der Regel auch etwas. Und wenn es nur die abgewohnten Möbel aus der letzten Wohnung sind. Mit dem Tod eines Menschen geht dessen Vermögen automatisch auf die Erben über. Allerdings: Hier in Deutschland gibt es keine Behörde oder Einrichtung, die dafür sorgt, dass ein Erbe auch bei den Erben landet. Das heißt konkret: Sobald ein naher Verwandter stirbt und Sie in der Erbfolge auftauchen, sind Sie als Erbe rechtlich gesehen der neue Eigentümer und auch Besitzer des Nachlasses – auch dann, wenn Sie noch nichts davon wissen und noch keinen Erbschein beantragt haben.
Nur einmal vorgestellt: Die entfernte Tante aus dem Schwarzwald ist gestorben. Sie haben eigentlich nur noch sporadisch Kontakt gehabt und außer den üblichen Weihnachts- oder Geburtstagswünschen wenig miteinander ausgetauscht. Jetzt ist sie tot – und Sie erben, weil Sie die Familie überlebt haben. Plötzlich sind Sie – kraft der gesetzlichen Erbfolge – Miteigentümer eines kleinen Reihenhauses und eines bescheidenen Bankkontos. Sie wissen aber nichts davon – erst Wochen nach ihrem Tod erfahren Sie von dem Erbe.
Bis dahin ist im Reihenhaus nichts passiert und das führt zu einigen ganz praktischen Problemen. Wer kümmert sich um die Bezahlung der laufenden Kosten? Wer regelt die Abmeldung von Versicherungen? Hier kommt in vielen Fällen das Nachlassgericht ins Spiel. Und zwar immer dann, wenn ein Nachlass einer „gerichtlichen Fürsorge“ bedarf, was zum Beispiel dann der Fall ist, wenn sich niemand kümmert oder unklare Verhältnisse herrschen. Allerdings: Das Nachlassgericht hat nicht die Aufgabe, die Erben zu informieren, geschweige denn sie zu finden. Nach deutschem Erbrecht greift die automatische Erbfolge und man erbt mit dem Tod des Erblassers automatisch – auch wenn man erst später davon erfährt.
Plötzlich geerbt – und jetzt tickt die Uhr
Zurück zu unserem Beispiel: Durch Zufall treffen Sie alte Freunde der verstorbenen Tante. Sie erzählen Ihnen von ihrem Tod. Ihnen wird – nach einem Moment der Betroffenheit, der sich angesichts der Verhältnisse in Grenzen hält und ausgiebiger Google-Recherche – klar: Die Uhr tickt. Denn nachgelesen haben Sie: Ab dem Moment, wo Sie von Ihrem Erbe erfahren, sind Sie in der Pflicht zu handeln. Ganze sechs Wochen haben Sie jetzt Zeit, das Erbe auszuschlagen. Mein Tipp an dieser Stelle: ab zum Nachlassgericht und Bestandsaufnahme machen. Alternativ helfen an dieser Stelle auch Spezialisten weiter. Denn sie wissen deutlich schneller als Sie selbst, wie man einen Nachlass zügig und umfassend auf das, was überbleiben wird, abklopfen kann.
Halten wir fest: Es ist immer gut, in der Familie irgendwie verbunden zu bleiben – auch mit entfernteren Verwandten. Und wenn Sie die Vermutung haben, dass Sie möglicherweise Erbe geworden sein könnten, scheuen Sie sich nicht, beim Nachlassgericht nachzufragen. Denn als Erbe profitieren Sie nicht nur, sondern haben auch Pflichten – aber das ist ein anderes Thema für diesen Blog.
Bis zum nächsten Mal,
Ihre Ira Kröswang