Besprechungssituation mit zwei Mandanten

Mitgefangen, mitgehangen…

… die Erbengemeinschaft!

Dass Erben mitunter ganz schön kompliziert sein kann, lässt sich nicht leugnen. Umso mehr, wenn man sich als Erbe plötzlich einer Zwangsgemeinschaft, der Erbengemeinschaft, wiederfindet. Folgende Geschichte zeigt, mit welchen Fallstricken man in einem solchen Fall rechnen muss.

Sophia Kuckuck blickt auf ein erfülltes Leben zurück: Die Kinder sind aus dem Haus, die Enkel wohnen um die Ecke und kommen gern zur Oma. Zwar ist ihr
Mann bereits verstorben, aber Sophia hat sich eingerichtet und genießt ihren großen Freundeskreis. Mit 79 Jahren geht es ihr auch gesundheitlich – bis auf
das eine oder andere kleine Zipperlein – gut. An einem Sonntag-Abend geht sie – nach dem Tatort, versteht sich – ins Bett. Sie freut sich auf die kommende
Woche. Neben einem Einkaufsbummel hat sie sich einiges vorgenommen. Doch Sophia wird die Woche nicht mehr erleben, sie schläft ein und wacht nicht
mehr auf. Ein schöner Tod, wie man zu sagen pflegt.

Ihre drei Kinder, Anna, Philip und Miriam, sind bestürzt und fassungslos. Niemals hätten sie daran gedacht, dass ihre Mutter von heute auf morgen nicht
mehr da sein würde. Neben der Trauer macht sich vor allem Ratlosigkeit breit: Was soll, was muss getan werden?

Fakt ist: Eine Erbengemeinschaft entsteht automatisch und kraft Gesetzes, sobald mehrere Personen Erben eines Nachlasses werden.

Da Sophia außer ihren drei Kindern niemanden hinterlässt, sind Anna, Philip und Miriam in diesem Fall die Erbengemeinschaft. Damit gehört ihnen der Nachlass „gesamthandschaftlich“, was nichts anderes bedeutet, als dass das gesamte Erbe allen gemeinsam gehört. Miriam, die schon einen Teil des antiken Schmucks ihrer Mutter an sich nehmen wollte, bleibt damit erst einmal außen vor. Denn als Erbengemeinschaft müssen sich die Geschwister einigen und vor allem gemeinsame Entscheidungen treffen.

Wie komplex eine solche gemeinschaftliche Entscheidung werden kann, zeigt sich beim geerbten Bungalow der Mutter. Anna möchte das Haus gern behalten; sie wohnt mit ihrer Familie schon um die Ecke und will den Bungalow nach ihren Wünschen renovieren. Sie hat allerdings nicht das Geld, um die Geschwister auszuzahlen. Philip möchte, obwohl finanziell gut aufgestellt, am liebsten gleich verkaufen. Er sieht das Haus als reine Kapitalanlage. Miriam, die emotionalste im Kreis, hängt am Elternhaus, möchte es behalten. Aber auch ihr fehlt das Geld, um die beiden auszuzahlen. Sie schlägt vor, den Bungalow zu vermieten und die Einnahmen aufzuteilen.

Unterschiedliche Interessen, die so gegenläufig sind, führen zwangsläufig zu Konflikten. Auch bei Anna, Philip und Miriam. Schon bei der Verwaltung des Hauses geht es los. Die Heizung müsste dringend ausgetauscht werden. Anna plädiert dafür, sie will das Haus bewohnbar halten. Philip, der ja schnell verkaufen möchte, hält dagegen, meint, es lohne sich nicht mehr. Miriam ist unentschlossen, will erst einmal Kostenvoranschläge sehen. Auch die Veraltungskosten laufen auf: Grundsteuer, Versicherungen, kleinere Reparaturen wollen bezahlt werden. Unter den Geschwistern schwelen längst vergessene Streitigkeiten auf: Anna, die pragmatische, die immer alles entscheiden will, Philip, der nur ans Geld denkt, Miriam, die emotionale, die mit ihrer Trauer nicht wirklich fertig wird. Die Kommunikation untereinander wird immer schwieriger, jedes Telefonat, jede E-Mail enden im Streit. Eine schwierige und für die Beteiligten kaum lösbare Situation.

Meine Empfehlung an dieser Stelle: Wenn jedes Gespräch im Streit endet, die Differenzen also unüberbrückbar schien, schalten Sie eine vierte unabhängige Person ein. Jemanden also, dem alle vertrauen können und: der nicht involviert ist. Einen Mediator etwa oder eine Kanzlei wie unsere. Eine solche Lösung sorgt dafür, dass die Parteien wieder miteinander reden, ihre unterschiedlichen Perspektiven verstehen und so schließlich selbst zu einem Kompromiss finden. Die drei haben das Haus übrigens behalten: Anna ist mit ihrer Familie eingezogen, Philip hat bei der Finanzierung geholfen und Miriam profitiert jetzt von den Abschlagzahlungen der Schwester.

Wollen Sie als Erblasser solche Konflikte schon im Vorfeld und noch zu ihren Lebzeiten ausschließen? Dann denken Sie einmal über Schenkungen zu Lebzeiten nach oder legen testamentarisch fest, welches der Geschwister welchen Teil des Erbes erhalten soll. Auch ein Testamentsvollstrecker kann dafür sorgen, dass sich die Konflikte in der Erbengemeinschaft auf ein Minimum reduzieren lassen.

Bleiben Sie mir gewogen und treuer Leser dieses Blogs. Dann klappt das auch mit dem Erben.
Ihre Ira Kröswang

Fakten:

Entstehung: Eine Erbengemeinschaft entsteht automatisch und kraft Gesetzes, sobald mehrere Personen Erben eines Nachlasses werden. Der Wille der Erben spielt dabei zunächst keine Rolle.

Gesamthandsgemeinschaft: Der Nachlass gehört den Erben gesamthandschaftlich. Das bedeutet, dass nicht jedem Erbe ein bestimmter Teil an jedem Nachlassgegenstand (z.B. ein Drittel des Hauses), sondern der gesamte Nachlass allen Erben gemeinsam gehört. Es gilt das Prinzip: „Allen gehört alles gemeinsam.“

Gemeinschaftliche Verwaltung: Die Erben müssen den Nachlass gemeinsam verwalten. Für die meisten Entscheidungen ist Einstimmigkeit erforderlich. Dies gilt insbesondere für „außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen“ wie den Verkauf einer Immobilie oder größere Sanierungsmaßnahmen. Bei „ordnungsgemäßen Verwaltungsmaßnahmen“ (z.B. Reparaturen, Begleichung von Rechnungen) reicht in der Regel ein Mehrheitsbeschluss, wobei sich die Stimmen nach den jeweiligen Erbquoten richten.

Haftung für Schulden: Die Erben haften für die Schulden des Erblassers, die zum Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht beglichen wurden. Die Haftung kann sich auf den gesamten Nachlass erstrecken.

Keine Rechtsfähigkeit: Eine Erbengemeinschaft ist keine juristische Person. Handelt die Erbengemeinschaft, werden die einzelnen Miterben berechtigt und verpflichtet.

Ziel: Auflösung (Erbauseinandersetzung): Eine Erbengemeinschaft ist grundsätzlich auf ihre Auflösung ausgelegt. Ziel ist es, den Nachlass unter den Miterben aufzuteilen, sodass jeder seinen Anteil erhält. Dies geschieht durch eine sogenannte „Erbauseinandersetzung“, die einvernehmlich durch einen Vertrag oder notfalls gerichtlich (z.B. durch Teilungsversteigerung bei Immobilien) erfolgen kann.

Verfügung über den Erbteil: Jeder Miterbe kann jederzeit seinen Anteil an der Erbengemeinschaft verkaufen, ohne die Zustimmung der anderen Erben einzuholen. Die anderen Miterben haben jedoch in der Regel ein Vorkaufsrecht.

Erbschein: Um ihr Erbe verwalten und verwerten zu können, benötigen Erben oft einen Erbschein. Er kann als gemeinschaftlicher Erbschein für alle Erben oder als Teilerbschein für einen einzelnen Erben ausgestellt werden.

Steuerliche Aspekte: Die Erbschaftsteuer wird nicht für die Erbengemeinschaft als Ganzes, sondern für jeden Erben individuell festgesetzt. Bei Einnahmen aus dem Nachlass (z.B. Mieteinnahmen aus einer geerbten Immobilie) werden diese den Miterben anteilig zugerechnet und in deren persönlicher Einkommensteuererklärung erfasst.

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