Wenn es in der Erbengemeinschaft brodelt –

Beschluss Erbengemeinschaft: gemeinsam ist nicht immer einfach.

Hallo zusammen,

Erbengemeinschaft. Klingt harmlos. Wie ein kleiner Club, der gemeinsam das Erbe regelt. In der Praxis zeigt sich allerdings schnell: Die Realität ist weit entfernt von Harmonie. Denn viele Erben wissen gar nicht, was es konkret bedeutet, Teil einer Erbengemeinschaft zu sein.

Ab sofort lässt sich nichts mehr allein entscheiden – weder bei der Bank, noch beim Notar, noch bei scheinbar kleinen Dingen wie einer Überweisung. Jede Verfügung, jede Beauftragung, jeder Vertrag: Alles braucht die Zustimmung aller. Und das bringt manche Erben an den Rand ihrer Geduld.

Eine Geschichte dazu bleibt ist mir besonders im Gedächtnis geblieben:

Ein Erbe – nennen wir ihn Jonas – ist Teil einer Erbengemeinschaft. Zehn Personen, gleichberechtigt, kein Testament. Jonas übernimmt Verantwortung, regelt Organisatorisches, klärt erste Fragen beim Nachlassgericht und holt sich sogar Rat beim Steuerberater. Als es um die Erbschaftsteuererklärung geht, will er nicht länger warten. Einer der Miterben lässt über seinen Anwalt alles blockieren – keine Rückmeldungen, kein Einverständnis, keine Entscheidung.

Jonas hat genug. Er beauftragt den Steuerberater trotzdem. In der Hoffnung, dass es eben „einfach mal weitergeht“. Die Rechnung soll später geteilt werden – schließlich profitieren alle von der Leistung. Doch dann kommt das böse Erwachen.

Der blockierende Miterbe erklärt, vertreten durch seinen Anwalt: Er zahlt nicht. Die Beauftragung sei ohne seine Zustimmung erfolgt – also ohne rechtliche Grundlage.

Und er hat recht.

Denn in einer Erbengemeinschaft dürfen Maßnahmen, die alle betreffen oder Kosten verursachen, nicht einfach im Alleingang getroffen werden. Es sei denn, es liegt ein konkreter Notfall vor. Aber den gibt es in diesem Fall nicht – es steht keine Frist im Raum, das Finanzamt setzt noch keinen Druck. Jonas bleibt auf den Kosten sitzen.

Die Enttäuschung ist groß. Als er bei uns sitzt, wird klar: Er meint es gut – aber er handelt voreilig. Und rechtlich eben unzulässig. Denn selbst der Wunsch, „endlich mal weiterzukommen“, ersetzt nicht die notwendige Zustimmung aller Beteiligten.

Was viele nicht wissen: Die Erbengemeinschaft ist ein rechtlich fester Verband

Und dieser Verband funktioniert ausschließlich gemeinsam. Ohne Einigung – keine Handlung.

Was geht nur einstimmig?

  • Verfügungen über Nachlassgegenstände (z. B. Verkauf von Immobilien oder Wertgegenständen)
  • Auszahlung von Nachlassgeldern (z. B. für Steuerberater, Anwälte, Bestattungskosten)
  • Beauftragung Dritter mit der Nachlassabwicklung

Was ist durch Mehrheitsbeschluss möglich?

Nur in Ausnahmefällen – etwa bei der Verwaltung des Nachlasses im Sinne des § 2038 BGB. Es geht dann um die ordnungsgemäße Verwaltung, nicht um Veränderungen am Bestand. Die Mehrheit richtet sich dabei nach Erbanteilen, nicht nach Köpfen.

Wie entsteht ein gültiger Beschluss?

  • Zustimmung kann mündlich oder schriftlich erfolgen, sollte aber immer dokumentiert sein
  • Ein klarer Nachweis über die Zustimmung aller Beteiligten ist rechtlich sinnvoll – spätestens bei absehbarem Streit
  • Bei Uneinigkeit hilft oft nur der Gang zum Nachlassgericht oder eine Mediation – beides ist zeitintensiv und belastend

Erbengemeinschaft bedeutet: gemeinsames Erben – und gemeinsames Entscheiden. Wer im Alleingang handelt, riskiert nicht nur rechtlichen Ärger, sondern auch finanzielle Nachteile. Geduld, Klarheit und eine saubere Kommunikation sind entscheidend. Und manchmal eben auch: der Mut, die anderen zur Zustimmung zu bewegen – aber bitte mit dem richtigen rechtlichen Fundament.

Denken Sie daran: Man kann auch als Erbengemeinschaft friedlich und gemeinsam agieren.

Bleiben Sie mir gewogen,
Ihre Ira Kröswang

Gedanken zum Mitnehmen:

Wann darf ein Miterbe allein handeln? – Notfälle im Erbrecht

Grundsatz:
In einer Erbengemeinschaft müssen alle Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Aber: In bestimmten Fällen darf auch ein einzelner Miterbe handeln – vorausgesetzt, es liegt ein dringender Handlungsbedarf vor und das Vorgehen dient der Erhaltung des Nachlasses.


Typische Notfälle, die ein Alleinhandeln rechtfertigen können:

1. Fristablauf droht

  • Beispiel: Die Abgabefrist für die Erbschaftsteuererklärung läuft ab und keine Einigung ist in Sicht.
  • Maßnahme: Ein Miterbe darf die Erklärung abgeben, um Verspätungszuschläge oder Bußgelder zu vermeiden.
  • Wichtig: Die anderen sollten informiert und schriftlich zur Mitwirkung aufgefordert worden sein.

2. Gefahr im Verzug

  • Beispiel: Eine Immobilie droht Schaden zu nehmen (z. B. Rohrbruch, Dachleck, Einbruchgefahr).
  • Maßnahme: Sofortige Reparatur oder Absicherung kann auch ohne Zustimmung der anderen erfolgen.

3. Zahlungsrückstände oder drohende Pfändung

  • Beispiel: Laufende Kosten wie Strom, Grundsteuer oder Versicherungsbeiträge wurden nicht gezahlt.
  • Maßnahme: Zahlung zur Vermeidung von Mahnverfahren oder Pfändung ist zulässig.

4. Sicherung beweglicher Nachlassgegenstände

  • Beispiel: Wertsachen liegen ungesichert in einer leerstehenden Wohnung.
  • Maßnahme: Zwischenlagerung oder Verwahrung auf eigene Kosten ist erlaubt, solange keine Verfügung erfolgt.

Wichtig zu beachten:

  • Der Maßstab ist immer: Dient das Handeln der ErhaltungSicherung oder Schadensvermeidung?
  • Wer allein handelt, sollte die Maßnahme genau dokumentieren – am besten mit Fotos, Belegen, E-Mails.
  • Eine spätere Abrechnung gegenüber den Miterben ist möglich, wenn das Vorgehen gerechtfertigt war.
  • Wer über das Ziel hinausschießt (z. B. verkauft, beauftragt oder verteilt), riskiert eine persönliche Haftung.
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